HARMONISCHE HINGUCKER



Säulen, Stuck, Mosaike, Fresken – im 19. Jahrhundert entstanden in Deutschland prachtvolle Badepaläste, die nicht nur der Körper-Reinigung, sondern auch zur Erholung und Unterhaltung dienten. Mitte der 1980er Jahre folgten ihnen als modernes Pendant Thermalbäder, die mit ansprechendem Ambiente und Zusatz-Angeboten wie Whirlpools und großzügigen Ruhezonen unter dem Motto „Gesundes Baden, das Freude macht“ standen. Heutzutage spielt die architektonische Gestaltung eine immer wichtigere Rolle, um den gewachsenen ästhetischen Ansprüchen der Besucher gerecht zu werden. Mit insgesamt sechs eigenen sowie gepachteten Thermalbädern an fünf Standorten ist die Kannewischer Collection ein Spiegel dieser Entwicklung: 1877 wurde das Baden-Badener Friedrichsbad im Stil der Neurenaissance fertig gestellt. Von außen beeindruckt der Bau durch seine gewaltigen Ausmaße und die verzierte Fassade. Innen schmücken handbemalte Majolika-Kacheln, aus den Wänden ragende Skulpturen und hohe Kuppeln die 17 Stationen, die jeder Besucher sowohl auf der Herren- als auch auf der Damenseite in einer vorgegebenen Abfolge durchläuft. Nur einen Katzensprung entfernt liegt die 1985 eröffnete Caracalla Therme. Den in weißem Marmor gehaltenen Hauptraum überspannt ein gewölbtes Kuppeldach. Wasserfälle und -pilze, Masssagedüsen, Whirlpools, farbige Unterwasserscheinwerfer und ein Strömungskanal machen das Baden in drei Innen- sowie zwei Außenbecken und zwei Grotten zum Erlebnis. Darüber im ersten Stock liegt eine weitläufige Saunalandschaft. Aktuellster Neubau aus dem Jahr 2012 ist die Emser Therme in Bad Ems. Da sie am Ufer der Lahn liegt, wurde die organische Form angeschwemmter Kiesel vom Stuttgarter Architekturbüro 4a als durchgehendes gestalterisches Element gewählt. Deutliche Bezüge zum benachbarten Wasserlauf schafft auch die nach Süden orientierte, bodentiefe Glasfassade; wie an Bord eines Bootes fühlt man sich in der FlussSauna, die als schwimmende Anlage konzipiert ist. Im gleichen Jahr wurde das ebenfalls von 4a konzipierte Spreewald Thermenhotel eröffnet, damit Gäste mehrmals hintereinander in den Genuss der benachbarten Spreewald Therme kommen können. In diesem „Solebad in der Natur“ sind die einzelnen Gebäudeelemente in ihrer rechteckigen Form den Feldern nachempfunden, die die Landschaft der Umgebung charakterisieren. „Wir greifen gerne typische Themen der jeweiligen Orte auf“, erklärt Ernst Ulrich Tillmanns von 4a. „Deshalb wurden in Bad Ems das abstrahierte Kieselstein-Motiv von der Fensternische bis zur Leuchte durch dekliniert. Im Spreewald erinnern schräg stehende Säulen an Schilf und Bäume, die sich im Wind neigen. Mit Ziegelwänden oder Reet integrierten wir hier gängige Materialien der Gegend.“ Insgesamt gehe es darum, Thermalbäder zu entwerfen, in denen man sich wohl und wie von einer zweiten Haut umgeben fühle, die gleichzeitig aber den höchsten hygienischen und technischen Anforderungen entsprächen. „Wo Wasser hinkommt, das per se eine Belastung für die Bausubstanz ist, muss alles funktionieren und ebenso abwaschbar wie rutschfest sein,“ so Tillmanns. Wo immer möglich setze sein Büro gerne optische Akzente von der Decke bis hin zu Details wie Möbeln, „weil nicht nur die Hülle stimmen muss, alles aus einer Hand kommen sollte“. Und das nicht nur in Neubauten wie der Emser oder der Spreewald Therme, die 4a komplett konzipiert und realisiert hat. Sondern auch bei Umbauten älterer Bäder. So galt es bei der VitaSol Therme in Bad Salzuflen, bereits vorhandene Gebäudebereiche mit fließenden Übergängen harmonisch zu verbinden, was durch eine geschwungene Holzverschalung gelang. Zusätzlicher Hingucker ist eine im Raum schwebende, verschiedenfarbig leuchtende, tropische Regenwolke, die in Zusammenarbeit mit einem Künstler gestaltet wurde, sowie zwei komplett verglaste Soleinhalation- und Dampfbad-Kabinen, die zwar abgeschlossene Räume, aber dennoch leicht und transparent sind. „Viele Ideen wurden im Austausch mit der Kannewischer Collection als Auftraggeber entwickelt“, resümiert Tillmanns. In einem „idealen Verhältnis“ gegenseitiger Bereicherung habe man immer offen miteinander reden und von der jahrzehntelangen Erfahrung der Kannewischer Ingenieurgesellschaft profitieren können. „40 Prozent der Baukosten werden in Schwimmbad- und Lüftungstechnik investiert, die mit aufwändigen Anlagen das komplette Kellergeschoss unter den Becken einnimmt.“ Das alles wolle kein Besucher sehen, müsse aber berücksichtigt werden und reibungslos klappen. Summa summarum solle der Betreiber gut damit zurechtkommen, der Gast sich wohl fühlen. „Wir bekommen ein durchweg positives Echo“, freut sich Tillmanns. Angetan sind auch Kenner vom Fach: „Alles andere als ein Konzept von der Stange“, stellte die Zeitschrift Bäder Bau bei ihrem Besuch des Spreewald Thermenhotels fest, „harmonisches Gesamtbild“ lobte das Magazin Top Hotel.

HARMONISCHE HINGUCKER



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